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(§§ 1906, 1906a BGB)

 

Seit dem 22.07.2017 hat der Gesetzgeber § 1906 BGB korrigiert und den § 1906a BGB neu geschaffen. Dabei war es die Intention des Gesetzgebers, die vom Bundesverfassungsgericht erteilten Hausaufgaben im Bereich der Zwangsbehandlungbei psychischer Krankheitohne Zwangsunterbringung zu machen. Das BVerfG folgte dem BGH in der Ansicht, dass „nur kurzfristige“ die Bewegungsfreiheit einschränkende Maßnahmen nicht durch § 1906 BGB legitimierbar sind. Eine analoge Anwendung von § 1906 BGB kam nicht in Betracht. Das BVerfG bestätigte dies im Ergebnis (arg. allerdings mit Art. 2 Abs. 2 S 1 GG in Verbindung mit den Schutzpflichten des Staates).

 

Das BVerfG sah es als notwendig an die Fälle zu regeln, in denen der Betreute aufgrund seines Zustands (psychische Krankheit, geistige oder seelische Behinderung) die Notwendigkeit der ärztlichen Maßnahme nicht erkennen kann oder nicht in der Lage ist, nach der Einsicht zu handeln, dennoch aber keine längere Zwangsunterbringung mit der ärztlichen Maßnahme verbunden ist. Dies ist dann der Fall, wenn der Betreute sich aufgrund seines physischen Zustand ohnehin nicht räumlich entziehen kann oder will.

 

Es ist für jeden Betreuer ratsam § 1906a BGB zu lesen. Ausführungen zu den einzelnen darin genannten Voraussetzungen sprengen hier den Rahmen. Dennoch ist es wichtig zu wissen, dass die Voraussetzungen kumulativ vorliegen müssen

 

Die Verweisung unter § 1906a Abs. 1 Nr. 3 BGB auf § 1901a BGB (Patientenverfügungen) erlangt für die Betreuertätigkeit besondere Bedeutung. Dem § 1901a BGB wurde Abs. 4 hinzugefügt. Danach soll der Betreuer den Betreuten in geeigneten Fällen auf die Möglichkeiten einer Patientenverfügung hinweisen und ihn auf dessen Wunsch bei der Errichtung einer Patientenverfügung unterstützen. Diese Soll-Vorschrift bindet das Ermessen des Betreuers deutlich in Richtung einer Pflicht zur Unterstützung

 

Da es der Betreuer i. d. R. mit psychisch kranken Menschen zu tun hat, handelt es sich dabei um den Sonderfall einer psychiatrischen Patientenverfügung. Über die Einzelheiten der Voraussetzungen einer Zwangsbehandlung nach § 1906a BGB berät ein vbk Anwalt Sie gern.

 

Bedauerlich ist, dass der Gesetzgeber erneut nicht die Gelegenheit ergriffen hat, auch Regelungen zur ambulanten Zwangsbehandlung zu treffen. Daher bleiben diese in Zukunft weiterhin ausgeschlossen.

 

 

Arbeitnehmerkontrolle – Anfangsverdacht – Einwilligung

 

Urteil vom 27.07.2017 – 2 AZR 681/16 (LAG Hamm, ArbG Herne)

 

In der Entscheidung ging es um die Wirksamkeit einer Kündigung, die der Arbeitgeber aufgrund von Auswertungen von Protokollen, die durch einen Keylogger erstellt wurden, ausgesprochen hatte. Bei Keylogger handelt es sich um soft- oder hardwarebasierte Komponenten, die jegliche Tastatureingabe aufzeichnen. Im vorliegenden Fall wurden auch regelmäßige Screenshots (Bildschirmfotos) gespeichert. Der Arbeitgeber hatte die Mitarbeiter durch eine Mail über die bereits erfolgte Einrichtung diese Keylogger informiert und für den Fall, dass ein Mitarbeiter damit nicht einverstanden sei aufgefordert, dieser solle sich binnen einer Woche melden.

 

Die Auswertung beim Arbeitnehmer (Kläger) zeigte, dass er gegen das Verbot der privaten PC-Nutzung gravierend verstoßen hatte.Die Arbeitgeberin hat daraufhin außerordentlich fristlos, sowie hilfsweise ordentlich gekündigt.

 

Die Kündigungsschutzklage des Arbeitnehmers (Klägers) hatte in allen Instanzen vollen erfolgt. Beide Kündigungen sind demnach unwirksam und das Arbeitsverhältnis besteht fort.

 

Nach verfahrensrechtlich verwertbarem Sachvortrag der Arbeitgeberin (Beklagten) fehlt es sowohl an einem wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung als auch an einer sozialen Rechtfertigung für die unter das KSchG fallende ordentliche Kündigung.

 

Das Gericht stellte fest, dass es bei seiner Entscheidung den Sachvortrag der Arbeitgeberin außen vor lassen musste, der ausschließlich aufgrund des eingesetzten Keyloggers eingebracht werden konnte. Eine Verwertung des Sachvortrags hätte den Arbeitnehmer in seinem Recht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 GG) verletzt.

 

Die Erhebung der Daten mittels Keylogger griff in das Recht des Arbeitnehmers auf informationelle Selbstbestimmung ein. Es lag keine wirksame Einwilligung vor.

 

Die Einwilligung in eine Datenerhebung – hier per Keylogger – kann nicht stillschweigend oder mangels Widerspruch erfolgen. Das Gericht hat ebenfalls nicht die Voraussetzungen für eine verdeckte Datenerhebung gesehen. Es fehlten bereits konkrete Tatsachen, die den begründeten Anfangsverdacht einer Straftat oder einer schweren Pflichtverletzung hätten begründen können. Daher wäre die verdeckte Datenerhebung unverhältnismäßig und damit rechtswidrig.

 

Eine Arbeitnehmerüberwachung oder sogar die Beauftragung eines Detektivs ist dennoch nicht ausgeschlossen. Damit diese Erkenntnisse jedoch in einem Prozess verwertet werden dürfen, müssen vorab die (datenschutz-)rechtlichen Voraussetzungen abgeklärt werden. Bei Rückfragen stehen wir Ihnen hierzu gerne zur Verfügung.

 

 

(BGH v. 03.05.2017, XII ZB 415/16)

 

Grundsätzlich sind Eltern ihren Kindern bis zur Erreichung ihrer wirtschaftlichen Unabhängigkeit unterhaltspflichtig (sog. Ausbildungsunterhalt). Dabei wird von einem zielstrebigen Verlauf ausgegangen. Die Eltern schulden dem Kind den Unterhalt, den es für eine angemessene Schul- und Berufsausbildung braucht. Diese richten sich nach den Begabungen und Fähigkeiten des Kindes und findet ihre Grenzen in der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Eltern. Der Unterhalt wird auch geschuldet, wenn das Kind nach dem Abitur zunächst eine Lehre absolviert und erst dann studiert. Entscheidend ist ein enger zeitlicher und sachlicher Zusammenhang, so dass sich Ausbildung und Studium sinnvoll ergänzen.

 

Der BGH hat jedoch klar gestellt, dass der Anspruch auf Ausbildungsunterhalt vom Gegenseitigkeitsprinzip geprägt ist. Hiermit ist die Obliegenheit des Kindes gemeint, mit Fleiß und Zielstrebigkeit die finanzielle Unabhängigkeit herbeizuführen. Finden sich hier Schwachpunkte, kann die Zumutbarkeit der Unterhaltszahlung entfallen.

 

Auch Eltern muss es gestattet sein, eine eigene finanzielle Lebensplanung vorzunehmen. Sie müssen sich auf die Dauer ihrer Unterhaltslast einstellen können. Hierfür ist ein gewisses Maß an Kommunikation zwischen unterhaltspflichtigem Elternteil und unterhaltsberechtigtem Kind erforderlich. Dabei fordert der BGH vom Unterhaltspflichtigen, sich beim Kind über dessen Pläne zu informieren. Die Rücksichtnahmepflicht verlangt jedoch auch von dem Kind, Informationen darüber an den Unterhaltspflichtigen preiszugeben. Dies sollte in umso höherem Maße geschehen, je stärker sein Ausbildungsplan vom „normalen Weg“ abweicht.

 

Fragt der zum Ausbildungsunterhalt grundsätzlich Verpflichtete also beim Kind an, wie seine beruflichen Zukunftspläne aussehen und erhält er keine Auskünfte, besteht die Möglichkeit, dass die Zumutbarkeit weiterer Unterhaltszahlungen entfällt. Im vorliegenden Fall hatte die Tochter zwar von Anfang an vor, ein Medizinstudium zu absolvieren. Sie leistete jedoch zwischenzeitlich eine dem Studium nahe Ausbildung ab und arbeitete in diesem Beruf. Derweil befand sie sich wegen der Abiturnote in der Wartezeit für einen Studienplatz. Der sodann geltend gemachte Anspruch auf Unterhaltszahlung wurde in diesem Fall abgewiesen. Sie hatte den Unterhaltspflichtigen trotz seiner Nachfrage nie über ihre Ausbildungspläne informiert.

 

Hinweis:

Der Ausbildungsunterhalt ist ein sehr individueller Anspruch, so dass jeder Einzelfall einer besonderen rechtlichen Prüfung bedarf. Minimale Abweichungen des Sachverhalts zu einer bereits ergangenen Entscheidung können zu anderslautenden Entscheidungen führen. Ihr Anwalt berät Sie jederzeit zu den Modalitäten.

 

 

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